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Enzinger Boden 17.9. - 19.9.2004


von Bruno Wagner



Das Hüttenwochenende 2004 sollte ursprünglich bereits Mitte Juli stattfinden, wurde aber Stunden vor der Abfahrt wegen schlechter Wetterverhältnisse abgesagt. Fast so kurzfristig ergab sich dann im September eine Ersatztermin, den dann nur wenige Teilnehmer nutzen konnten. Mit acht Leuten, verteilt auf drei Autos, gab es dann auch keine Platzprobleme, weder beim Gepäck noch in der Hütte. Auch alle Schnarcher konnten in eigene Räume "separiert" werden. Wir, das waren: Unser Gastgeber Dr. Werner Zschau, Otto Büttner, Sophie Roud, Martina Ruf, Antonia Schmalstieg, Michael (Schmidi) Schmidhuber, Esther Schott, Bruno Wagner.

Schon bei den Provianteinkäufen in Uttendorf waren wir aufgefallen. Ein Spaziergänger fand schon den eigenartig beladenen Golf von Schmidi(s Schwester) ungewöhlich und bestaunte das Auto und uns. So warteten wir gespannt, was sich bei meinem 30 Meter weiter mit mehreren Teleskopen sichtbar beladenen Astra tun würde. Es war schon erstaunlich, wie die Füße ihren Weg gleichmäßig fortsetzen und der Kopf sich um fast 180 Grad drehen konnten. Gut, dass die Straße eben und wenig befahren war, sonst hätten es vielleicht noch einen Unfall gegeben. Ein schallendes Gelächter war uns die Szene dann doch wert, was der Mann vor lauter Gaffen aber nicht mal bemerkte.

Nach dem Ausladen von Proviant und Hüttengepäck marschierten wir zum Rudi, dem Wirt am Enzingerboden. Speckknödel, Pizza und Kaiserschmarrn machten uns fit für die anstehende Beobachtungsnacht. Der klare Himmel (und was aus dem Lautsprecher über unserem Tisch rieselte) trieb uns dann bald zurück zur Hütte und in die Autos.

Diesmal war der Staudamm frei (vergleiche 2003), so dass wir problemlos unseren gewohnten Beobachtungsplatz auf der Terrasse der Seilbahnstation erreichen konnten. Dort ist die Sicht nach Südwesten zwar eingeschränkt, Strom für die Teleskope, eine geheizte Halle und tipptopp renovierte Toiletten sind auf über 2000 Metern dafür ein echter Luxus. Gegen 21:30 hatten wir unsere Geräte aufgebaut: den 12-Zoll-Dobson der AVWM, einen 10-Zoll-Schmidt-Cassegrain 1:6,3 mit LX200-Steuerung von unserem Gastgeber, das C8 der Schule, Schmidis 6-Zoll-Newton, meinen 90mm-Refraktor, Ottos ETX 90 und ein 11x80-Großfernglas.

Sternführung

Schmidi begann gleich mit einer Himmelsführung, während die Großgeräte noch eingenordet bzw. kollimiert wurden. Die letzten Wolken, die wir noch vor Sonnenuntergang gesehen hatten, waren weitergezogen. Der Himmel war die ganze Nacht völlig wolkenlos, eine spürbare Südströmung trocknete die Luft und mit gleichbleibend ca. 8 Grad war es für Jahreszeit und Höhe fast schon warm. Dank der unmittelbar neben der Terrasse gelegenen automatischen Wetterstation gibt es sogar Messkurven zu Temperatur und Feuchte und Wind. Nur in Nähe der Berggrate war die Luft unruhig, zum Zenit hin flimmerten die Sterne nicht. Das Seeing begrenzte aber auch dort die brauchbaren Vergrößerungen auf ca. 150-fach.

Nachtbeobachtung

Für ausführliche Beobachtungen im Schützen waren wir zu spät dran, den haben wir uns dann vor allem für die zweite Nacht aufgehoben. Bei vielen von uns stand zunächst das Genießen des sagenhaft klaren Himmels im Vordergrund und wir schauten bei den Standardobjekten vorbei wie dem großen Kugelsternhaufen M13, den offenen Sternhaufen M35+36+37+38, dem Doppelhaufen im Perseus, dem Ringnebel M57. Die waren uns eigentlich sehr vertraut aber ungewohnt kontrastreich. Erst in der zweiten Nachthälfte setzte sytematischeres Beobachten ein.

Ringnebel M57 und Hantelnebel M27 profitierten stark von starken Vergrößerungen. Letzterer zeigte wie schon im Jahr davor weit über den "längs engedrückten Schwamm" hinausgehende zartes Leuchten, das den plantarischen Nebel zur Ellipse ergänzte, dessen kürzere Achse der "Schwamm" nur war.

Die Andromedagalaxien (M31+32+110) hoben sich alle deutlich vom Himmelshintergrund ab. Bei M31 waren die beiden Dunkelbänder an der kontrastreichsten Stelle rechts (in Rektaszension) klar erkennbar.

NGC 891 in der Andromeda ist eine Galaxie, die man exakt von der Seite sieht und zeigte sich als zarter, sehr langer Strich.

Der Krebsnebel M1 faszinierte uns länger. Im großen Dobson war das ein helles Zentrum mit einem helleren und einem schwächeren, jeweils kommaförmigen Fortsatz.

Intensiv haben wir versucht, den Nordamerikanebel NGC 7000 und den Pelikannebel IC 5067-70 zu erkennen. Das leuchtende Gas wollte mir im Sternenreichtum der Milchstraße nicht auffallen, weder mit bloßem Auge noch im 7x50-Fernglas. Die Dunkelwolken, die dem Gasnebel die charakteristische Form geben, waren aber mit Fernglas und im großen Dobson sehr kontrastreich sichtbar, speziell der "Golf von Mexiko".

Lange haben wir uns mit dem Orionnebel beschäftigt. Schon das Emporkriechen über die Dreitausender im Osten war ein Anblick. Die Details zu beschreiben, die sich ohne und mit Nebelfilter zeigten, ist mit Worten nicht möglich. Die Vielzahl feinster Filamente, auch bei starken Vergrößerungen, fesselten uns sicher mehr als eine halbe Stunde.

M78 in der Nähe wollte die im Karkoschka erwähnten Dunkelwolken nicht offenbaren, war auch zum Zeitpunkt des Versuches nur knapp über einem Berggrat und damit unruhig.

Schon gegen 03:45 MESZ zeigte sich im Osten unterhalb der Plejaden die erste Aufhellung. Für die Dämmerung war das bei einem Sonnenaufgang von 06:49 Uhr viel zu früh. In der Rückschau muss es ich um das Zodiakallicht gehandelt haben, das um diese Jahreszeit besonders gut beobachtbar ist.

Nicht aufzählen kann ich hier die Vielzahl von schwachen Sternhaufen, Planetarischen Nebeln und Galaxien, die das Computerteleskop zugänglich machte.

Morgensonne

Den Sonnenaufgang warteten wir wie üblich schlafend in den Autos oder der Bahnstation ab, um bei Tageslicht und mit guter Konzentration die etwas heikle Straße ins Tal zu bewältigen. Ein erster Wanderer staunte um halb Acht über uns - war es nicht sogar unser Spaziergänger aus Uttendorf?

Nebel über Uttendorf

Nach einem ausführlichen Frühstück verging der Tag mit Schlafen, Sonnenbaden, etwas Sonnenbeobachtung und der Vorbereitung auf die nächste Nacht. Angeblich sollte unser Daystar T-Scanner nicht mehr funktionieren. Richtig montiert und eingestellt zeigte er Protoberanzen neben und Filamente vor der Sonnenscheibe genauso wie Fackeln rund um die Sonnenflecken. Trotz wenig Flecken war die Sonne damit mehr als einen Blick wert.

Sonnenbeobachtung

Bereits um Fünf begannen wir mit der Zubereitung des Abendessens, so dass wir bereits kurz nach Sieben wieder an unserem Beobachtungsstandort eintreffen konnten. Auch die zweite Nacht bot wieder wolkenlosen Himmel, begann etwas wärmer und windärmer als die erste. Schon um 19:45 waren wir beobachtungsbereit und warteten ungeduldig auf das Verschwinden der letzten Dämmerung, um uns auf den Schützen stürzen zu können.

Der Lagunennebel M8 war unser erstes Opfer, stand schon visuell schutzlos deutlich am Südhimmel. Zwischen dem eingelagerten Sternhaufen NGC 6530 im Ostteil und dem Westteil lag eine schwarze "Teerstraße" als Trennung, die mit Nebelfilter und bei stärkerer Vergrößerung an Kontrast noch zulegte.

Etwas höher zeigte der Trifidnebel M20 ohne und mit Filter die bekannte Bänderung mit Staubwolken. Der Adlernebel M16 konnte mich dieses Mal nicht sehr beeindrucken.

Ein wahre Pracht dagegen war der Schwanennebel M17. Ohne die Fotos im Hinterkopf konnte ich mit dem Namen zunächst nichts verbinden, erwartete sowas wie das Sternbild Schwan. Als ich dann einmal das Bild eines im Wasser liegenden Schwanes sah rastete die Wahrnehmung immer darauf ein. Die Dunkelwolke "unter dem Hals" war sehr deutlich ausgeprägt. "Das Wasser" zeigte sich als zwei ineinander übergehende schwächere Dunkelwolken.

Von den drei offenen Sternhaufen M25, M24 und M23 faszinierte mich der letzte sehr, da dessen überwiegend helle Sterne sich vor einer Dunkelwolke sehr deutlich abheben. Wie schon im Vorjahr war aber M11 für mich der schönste offene Sternhaufen des Abends. ein einzelner Stern achter Größe steht vor einem immens dichten Teppich buchstäblich hunderter schwächerer Sterne. Erst im größeren Teleskop kann man am fehlenden diffus leuchtenden Hintergrund erkennen, dass es sich nicht um einen Kugelsternhaufen handelt.

Dann hatte ich mir zwei Planetarische Nebel vorgenommen. NGC 6210 im Herkules zeigt ein deutlich blaugrünes Scheibchen. NGC 6543 im Drachen war ähnlich, kostete mich in Zenitnähe allerdings einige Verrenkungen, bis er eingestellt war. Die nahe gelegene Galaxie NGC 6503 war als sehr langgestreckte Ellipse sichtbar. Auch wieder faszinierend war der "blinkende" Planetarische Nebel NGC 6826, der bei direktem Sehen nur seinen Zentralstern zeigt, indirekt hingegen sein Scheibchen.

Schmidi hat im Steinbock Uranus und Neptun ausfindig gemacht, die sich dann im Dobson bei 150facher Vergrößerung deutlich als grünlich bzw. bläulich leuchtende Scheibchen von den umstehenden Sternen abhoben.

Nach einer Schlafpause von Mitternacht bis zwei Uhr habe ich am Südhorizont weitergemacht. Dass es NGC 253 nicht in den Messier-Katalog geschafft hat liegt wahrscheinlich an der geringen Flächenhelligkeit. Die Galaxie ist sonst nicht südlicher und in Summe nicht schwächer als viele Objekte im Schützen. Im großen Dobson ist sie jedenfalls immer eine Pracht mit Dunkelstrukturen, besonders im nördlichen Teil. Die etwas höher liegende Galaxie NGC 247 ist extrem schwach, ziemlich groß, zeigte aber keine Details. M77 ist eine Seyfert-Galaxie mit "aktivem" Kern, der ungewöhnlich stark leuchtend im Teleskop hervortrat.

Guten Morgähn

Kurz vor Vier drängten dann von Norden massiv Wolken ins Stubachtal und plötzlich waren auch über den Bergen rundum kleinere Wolken. Sicherheitshalber bauten wir eilig unsere Geräte ab; Regen hat uns aber verschont. Bis zum Sonnenaufgang hatten sich die meisten Wolken wieder verzogen. Viel Schlaf haben wir neben je einem "Sägewerk" innerhalb und außerhalb der Station nicht gefunden. Dafür waren die Schlafsäcke anders als in der Nacht zuvor taunass, was mit dem rapiden Anstieg der Luftfeuchte schon vor und während des Wolkendurchzugs erklärbar ist.

Kurz vor Neun waren wir wieder sicher in der Hütte angekommen. Nach Frühstück, Schlaf und Hüttenputz machten wir uns gegen Drei auf den Heimweg. Trotz einiger zähflüssiger Passagen und dem typischen Stau auf dem Mittleren Ring waren die Letzten bis Sieben wieder zuhause.

Die kleinere Besetzung mit ausschließlich sehr motivierten Beobachtern war eine sehr erfreuliche Erfahrung. Herzlichen Dank an unseren Gastgeber Dr. Zschau für dieses eindrucksvolle Hüttenwochenende.