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Astrourlaub in Südfrankreich


von Peter Kohlstruk



Bei uns in Germering sind die Bedingungen für (Amateur-)Astronomen wirklich nicht optimal: wenige klare Nächte, hohe Luftfeuchte und vor allem im Osten ein von der Großstadt München hell erleuchteter Himmel. Also hinaus in dunkle Gefilde, möglichst mit beständiger guter Witterung. Endlich einmal den Nordamerikanebel und die eindrucksvollen Objekte in Schütze und Skorpion mit eigenen Augen sehen! Will man ein größeres Teleskop und eine halbwegs vollständige Ausrüstung mitnehmen, sollte der Beobachtungsort noch mit dem Auto erreichbar sein. Bleiben in erster Linie Alpen, Südfrankreich oder Spanien. Die Entscheidung für Südfrankreich fiel aus mehreren Gründen:

  1. 1. Klima
  2. 2. Bericht in SuW 8-9 /98
  3. 3. Persönliche Vorlieben und Interessen neben der Astronomie.

Inspiriert vom Aufsatz von Bruno Mattern in SuW 8-9/98, S. 778 suchten wir uns ein Ferienhaus südlich des Mont Ventoux auf dem Plateau de Vaucluse. Entgegen den dort gegebenen Empfehlungen hielten wir uns allerdings an den ADAC, weil ich Telefonate auf französisch mit der Agentur der Gites de France scheute. Ein bißchen hatten wir auch gehofft, im ADAC-Katalog ein geeignetes Ferienhaus in der Toskana (siehe oben Punkt 3.) zu finden. Aber in Italien schien uns nicht ein Objekt geeignet, dagegen boten sich in Frankreich neben dem Plateau de Vaucluse auch Häuser an der Ardeche und im Languedoc an.

Zeitlich war der Urlaub so geplant, daß genau zur Halbzeit Neumond war und daß in Frankreich die großen Ferien zu Ende waren, das war in diesem Jahr der 28.August. Und tatsächlich: das Haus mit unserer Priorität 1 war zu diesem Zeitpunkt frei. Es lag 3 km von Sault (sprich: ßoo, wie "Zoo" auf berlinerisch) entfernt und damit nicht so völlig in der Prärie wie es allein unter astronomischen Kriterien sicher besser gewesen wäre, aber wir brauchten Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants, schließlich wollten wir ja Urlaub machen. Deshalb schreckten wir zurück vor einem Haus auf dem menschenleeren Plateau dŽAlbion, wie im genannten Artikel der SuW empfohlen. Und weil die Anreise immerhin mit 11,5 h Fahrzeit zu veranschlagen war, sollten es drei Wochen sein, damit die Fahrt sich lohnt. (Anmerkung: aufgrund des umfangreichen Gepäcks kam ein Zwischenaufenthalt kaum in Frage, höchstens wir fänden ein Hotel mit Garage. Der Autoreisezug fährt nur mittwochs und erlaubt keine Gepäckbeförderung im Fahrzeug, die Mietperiode eines Ferienhauses geht außerdem von Samstags bis Samstags, also blieb nur: selbst fahren).

Also um 5 Uhr losgefahren und nach einigen Irrwegen gegen 17 Uhr angekommen. In der Ferienhaus-Katalog-Lotterie hatten wir gut abgeschnitten: ein kleines Häuschen mit 3 (kleinen) Zimmern und einer Riesen-Terrasse erwartete uns. Eine Erhebung schirmte uns gegen die vorbei führende Strasse nach Carpentras ab, einzelne umliegende Gehöfte erwiesen sich als fast durchweg unbewohnt. Der erste Rundblick am Abend zeigte, daß ringsum alles stockdunkel war, selbst von Sault flimmerten nur einzelne Lichtpunkte herüber und die Scheinwerfer der wenigen Autos waren durch Wald bzw. Gelände sehr gut abgeschirmt.

Der erste Beobachtungsabend erzeugte Hochstimmung. Die Milchstrasse teilte als helles, strukturiertes Band einen funkelnden Sternenhimmel. Im Süden war der Schütze wunderbar zu sehen. Zwei seiner hellsten Reflexionsnebel waren mit blossem Auge zu erkennen. Der Skorpion allerdings war mit seinen südlichen Teilen hinter einem Höhenzug verborgen. Dort war auch der einzig horizontnahe Bereich, der durch eine Stadt (Aix-en-Provence) erhellt wurde. Dort lag das Zentrum der Milchstrasse, das für uns aber nur schlecht sichtbar war.

Schon das Binokular (20x77) zeigte Objekte, die ich sonst auch mit wesentlich grösseren Geräten nicht so schön gesehen hatte. Die Galaxien M51, M101, M31, M33 und die wunderbaren Kugelhaufen und Gasnebel in Schütze ( Lagunen-, Omega-, Trifid- und Adlernebel u.a.) und Skorpion waren hell und (teilweise) strukturiert. Antares leuchtete rot über dem Bergrücken, sein Gegenstück Mars nicht weit davon. Die visuelle Grenzgrösse bestimmten wir zu 4.8 bis 4.9 (einige Tage später waren es 5.5), wir sind eben nicht mehr die jüngsten. Trotzdem boten im besonderen die Objekte am SSW-Horizont mit und ohne Nebelfilter die wunderbarsten Eindrücke. Und da wir daheim diesen Bereich des Himmels nicht sehen können, konzentrierten wir uns im wesentlichen darauf.

Das Wetter hatte uns anfangs genarrt. Tagsüber gab es oft Wolken, so daß wir zweifelten, ob wir wohl geeignete Beobachtungsbedingungen vorfinden würden. Aber abends lösten sich auf wunderbare Weise alle Wolken auf (zumindest in den ersten zwei Wochen). Wir verbrachten viele Nachtstunden (übrigens bei schon kühlen aber noch angenehmen Temperaturen) an den Teleskopen auf unserer Terrasse, aber trotz der guten Bedingungen habe ich den Nordamerikanebel nicht gesehen. Er war für 2500mm Brennweite wohl zu groß und für das Binokular (ohne Nebelfilter) wohl zu dunkel. Diese Gegend des Himmels ist allerdings ohnehin so voller Sterne, überall glimmt und leuchtet es, da sind schwache und ausgedehnte Objekte schwierig vom Hintergrund zu unterscheiden.

Die einzige Einschränkung, die bald deutlich wurde, war die starke Szintillation vor Mitternacht. Aufgeheizt von der tagsüber starken Sonnenstrahlung erwärmte die Erde die Luft noch nach Stunden so kräftig, daß z.B. Jupiter, der um ca. 23 Uhr MESZ hoch genug stand, erst ab 1 Uhr halbwegs vernünftig zu beobachten war. Dafür gab es aber auch erst nach vielen Stunden Beobachtungszeit Tau auf den Instrumenten.

Daß die Wahl eines geeigneten Ferienhauses auch Glückssache ist, bemerkten wir an unserem letzten Wochenende: ein ca. 500m entfernt liegendes Haus wurde vorübergehend bewohnt, und abends erleuchtete ein Halogen-Fluter die weitere Umgebung, jede Beobachtung war unmöglich. Glücklicherweise dauerte diese Spektakel nur ca. eine Stunde.

Für die Schnuppenspechte noch ein Schmankerl: in den ersten Septembertagen (8. bis 10. September) gab es, was ich so noch nie gesehen habe: reichlich Feuerkugeln (ca. 1 pro Stunde), recht schnell und mit vielleicht eine Minute sichtbarer Rauchfahne. Zusammen mit einer größeren Zahl kleinerer Meteorite schienen sie aus Richtung Kassiopeia bzw. Perseus zu kommen.

Übrigens war das Wetter nicht ununterbrochen für Beobachtungen geeignet. An drei Tagen (bzw. Nächten) regnete es und in der dritten Urlaubswoche gab es recht starken Dunst am Horizont, so daß Skorpion und Schütze nicht mehr sinnvoll zu beobachten waren. Wir machten an einem solchen Tag bei strömendem Regen einen Ausflug zu Observatoire dŽHaute Provence (nahe Forcalquier). Dort hat man übrigens den ersten extrasolaren Planeten entdeckt. Die Besichtigungszeiten hatten wir schon bei einem früheren Ausflug zum berühmten Markt von Forcalquier an grossen Tafeln am Strassenrand lesen können. Nur: in typisch französischer Improvisation war ein vom Regen schon vollkommen verwaschener Zettel ans Tor geheftet, dem wir entnahmen, daß gerade an diesem Tag keine Besichtigungen möglich seien. Keine Begründung, kein Hinweis auf den schon weit vorher angebrachten Tafeln. Nicht nur wir waren angefressen.

Was ist noch zu unseren astronomischen Aktivitäten zu sagen? Wir hatten eine neue Montierung dabei und wollten Langzeit-Astrofotos machen. Den dazu erforderlichen Übungs- und Kalibrierungs-Aufwand hatten wir unterschätzt. Und meine Bemühungen, einen Autoguider an einem Off-Axis-Port zu betreiben endeten mit dem Vorsatz, mich mit dem Einsatz eines Leitrohres zu beschäftigen. "Tiefe" Aufnahmen von mehr als 15 Min. Belichtungsdauer habe ich deshalb gar nicht zustande gebracht.

Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, daß auch ein Mercedes-Kombi für so einen Urlaub zu klein ist. Unseren Refraktor hatten wir auch mitnehmen wollen, aber dann beim Beladen stellte sich heraus: nichts geht mehr! Also mußte er zurückbleiben, dabei boten sich mit Saturn und Jupiter doch so wunderbare Objekte. Leider blieb dabei auch einiges Zubehör daheim, was wir später vermissten, und manche Teile, wie z.B. das beleuchtbare Fadenkreuzokular, erwiesen sich als mit der neuen Losmandy-Montierung nicht verwendbar. Also beim nächsten Mal: sorgfältiger auswählen, was mitgenommen werden soll, auch mal einen Waschtag einlegen und damit einen Koffer Wäsche und T-Shirts einsparen.

Ein nächstes Mal wird es sicher geben, nach diesem schönen und nicht nur astronomisch interessanten Urlaub waren meine Frau und ich uns einig: das machen wir nächstes Jahr wieder!